Vorrede
Es waren die richtigen Themen, die wir gesetzt haben, weil sie die Antworten auf die Probleme der Menschen sind. Und es werden auch weiterhin die richtigen Themen sein.
2/3— Pamela Rendi-Wagner (@rendiwagner) September 29, 2019
Wenn man wissen will, was in der SPÖ schief läuft, dann ist für diese Analyse obiger Tweet ein guter Startpunkt. Ich habe vom 1. Mai 2016 noch „Werner, die Richtung stimmt!“ im Ohr, das war genauso jenseits. Aber was ist falsch an diesem Tweet?
Eine SPÖ, die auf „Themen setzen“ muss, hat eigentlich schon verloren. Das merkt man ganz deutlich in der Politik der letzten Monate. Ein Beispiel:
Ja, wir setzen irgendwie auf die Klimakrise. Aber erstens nicht zu stark, denn wir könnten die Pendler und die Gewerkschaft verärgern. Zweitens wissen wir ja auch, dass das „Thema“ eigentlich den Grünen gehört – und deshalb wollen wir das in Wirklichkeit gar nicht, müssen aber doch irgendwie. Und, wir haben bei den einzelnen Punkten zu diesem „Thema“, die dann herausgekommen sind, viele Vorsichten und Rücksichten zu nehmen, auf Partikularinteressen in- und außerhalb der Partei. Die einzigen konkreten Forderungen, die es dann ins Wahlprogramm geschafft haben, sind das „1-2-3 Klimaticket“ und die „Elektrifizierung von Bahnstrecken“. Der Rest ist unkonkretes Gelaber. Jeder weiß, dass weder diese beiden Maßnahmen noch das Gelaber unser Klima retten werden. Aber egal, wir wissen ohnehin, dass uns deshalb niemand wählt. Und so kam es dann auch.
Das eigentliche Problem ist aber das „Themen setzen“ an sich. Das muss man nämlich nur, wenn dem Wahlvolk nicht klar ist, wofür diese Partei steht, wofür ihre Mitglieder brennen. Symptomatisch dafür sind solche Sujets, die auf Facebook geschaltet wurden:
Eine Partei, die solche Kalendersprüche schaltet, hat sich eigentlich schon aufgegeben. Oder doch nicht?
Nach der Wahl ist vor der Wahl. Und vor der Wahl habe ich mich – im Unterschied zu einigen leider ziemlich undisziplinierten Genossen aus den Bundesländern – mit guten Ratschlägen zurückgehalten, wie es sich gehört. Aber jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um Vorschläge zu sammeln, was anders werden muss – und ein paar davon möchte ich beisteuern. Ich beschränke mich dabei absichtlich auf Dinge, von denen ich glaube, eine Ahnung zu haben. Here we go:
1. Die große Erzählung
Es ist eigentlich peinlich, das erwähnen zu müssen, aber wir alle wissen es: Der Sozialdemokratie ist ihre große Erzählung abhanden gekommen. Ja, natürlich, wir sind für gut und gegen böse, für den sozialen Zusammenhalt, gegen den Neoliberalismus, für die Gleichberechtigung und gegen schwarz/blau sowieso. Insbesondere gegen schwarz/blau. Aber das große Weltbild, die große Utopie kamen uns irgendwann einmal abhanden. Das hängt auch damit zusammen, dass sich die Linke spätestens seit 1968 in einem Spaltungsprozess befindet: Auf der einen Seite die kleinen Hackler, die ihren Lebensstil bewahren und ihr kleines Glück verwirklichen wollen, auf der anderen Seite die Bobos, die Erben der Hippies, denen Frauenpolitik, Schwule, Transsexuelle und – allgemein gesprochen – die Identitätspolitik wichtig ist. Diese beiden Gruppen driften auseinander und auch innerhalb der SPÖ verschärft sich dieser Konflikt seit Jahren. Dabei hat er sich ja fast schon von selbst gelöst: Die Hackler wählen seit Jahrzehnten die FPÖ (oder jetzt auch die ÖVP) und die Bobos wählen nun wieder die Grünen. Und dazwischen bleiben die Reste der SPÖ. Wenn die SPÖ nicht bald wieder zu einer gemeinsamen Erzählung kommt, warum es eine Linke braucht, die beide Gruppen in sich vereint, dann war es das mit der Sozialdemokratie.
Wir sollten also schleunigst überlegen, in welcher Welt wir leben wollen und wie diese funktionieren soll. Das mit der Weltrevolution wird ja wohl nichts mehr (und war auch nie so die Sache der SPÖ), aber was dann? Welchen Kapitalismus wollen wir? Welche Weltwirtschaft? Was bedeutet Solidarität heutzutage? Wie kann ein Wirtschaftssystem unter den Bedingungen der Klimawandels aussehen? In welcher Gesellschaft wollen wir leben? Wohin zieht unsere neue Zeit?
Um Antworten auf diese Fragen zu geben, muss sich die Partei öffnen: Einerseits Leuten, die sich damit professionell beschäftigen, und die gibt es: WirtschaftswissenschafterInnen, PhilosophInnen, auch AutorInnen und KünstlerInnen u.v.a.m. Und andererseits ihrer eigenen Basis gegenüber, die schon seit Jahren nicht mehr gefragt wird – und wenn sie gefragt wird, wie zu CETA, dann ignoriert man sie gleich wieder. Die SPÖ hat in den letzten Jahrzehnten mehrere hunderttausend Mitglieder verloren. Die, die es noch gibt, sollte man vielleicht auch in solche Prozesse einbeziehen – und offen mit ihnen diskutieren. Damit am Ende eine überzeugende Erzählung steht, die eine Vision für beide „Fraktionen“ der Linken darstellt.
Wenn man diesen Prozess nicht bald angeht, dann kann man das mit der Politik auch gleich lassen. Und: Solche Papiere in Hinterzimmern zu erarbeiten funktioniert nicht, das wissen wir bereits. Die Große Erzählung kann nur aus der Mitte der Partei kommen und in einem transparenten Prozess entstehen. Und das sollte sie sehr bald.
Zum zweiten Teil geht es hier entlang.