Diana Budisavljević – eine unbekannte Heldin

Am 24. September erhielt ich eine Einladung zur Gala-Premiere des Films „Dnevnik Diane Budisavljević“ („The Diary of Diana B.“) und zur anschließenden Premierenfeier mit dem Team: Am 2. Oktober um 20 Uhr in der Concert Hall Vatroslav Lisinski in Zagreb.

Diana Budisavljević
Diana Budisavljević

Rückblende: Im Sommer 2011 erreichte mich eine Anfrage des kroatischen Historikers Silvestar Mileta: Er arbeitete an den Recherchen für ein Filmprojekt über die „Aktion Diana Budisavljević“ aus dem Zweiten Weltkrieg. Frau Budisavljević war Tirolerin und Gattin eines prominenten serbischen Arztes in Zagreb. Sie konnte das Leid der Kinder in den KZs der faschistischen Ustaša nicht ertragen und begann mitten im Krieg, eine private Hilfsaktion für diese Kinder zu gründen. Es gelang ihr und ihren MitarbeiterInnen, mehr als 10.000 Kinder aus den KZs zu befreien und bei Gastfamilien unterzubringen.

Gustav von Koczian
Gustav von Koczian

Einer dieser Mitarbeiter war mein schillernder Verwandter Gustav von Koczian (ein Cousin meines Urgroßvaters), über den ich hierorts bereits ausführlich schrieb. Er lebte mit seiner vierten Frau Lydia und seiner kleinen Tochter, der späteren Schauspielerin Johanna von Koczian, während des Krieges im Hotel Esplanade in Zagreb. Aus unbekannten Gründen gehörte Gustav zum engeren Kreis um den Wehrmachtsgeneral Edmund Glaise-Horstenau, der als Verbindungsoffizier zur Ustaša in Zagreb stationiert war. Glaise-Horstenau war der wahrscheinlich wichtigste Verbündete von Diana Budisavljević bei der Rettung der Kinder, aber er konnte aufrund seiner Position nicht selbst bei der Ustaša intervenieren – das erledigte sein Freund Gustav für ihn.

Das war auch der Grund für die Kontaktaufnahme von Herrn Mileta: Die posthum herausgegebenen Tagebücher der Frau Budisavljević erwähnten einen Albert Kotzian, aber es stellte sich bald heraus, dass es sich dabei um ein redaktionelles Versehen handelte und in Wirklichkeit Gustav gemeint war. Ich durfte durch meine eigenen Recherchen zur Familiengeschichte ein wenig dabei mithelfen, seine Rolle zu klären.

Heraus kam also ein ebenso großartiger wie ungewöhnlicher Film: Zur Gänze in schwarz/weiß gehalten wechseln Spielszenen mit Original-Filmmaterial und Kommentaren von Zeitzeugen, die erstmals an die Orte ihrer Gefangenschaft als Kinder zurückkehrten. Und in einer Szene kommen auch Gustav von Koczian (gespielt von Boris Ostan) und seine Gattin Lydia (gespielt von Barbara Prpić) vor.

Ich bin froh, dass ich ein klein wenig zum Gelingen dieses Projektes beitragen durfte und hoffe sehr, dass der Film auch bald in Österreich zu sehen sein wird. Er hätte es sich verdient, denn die Geschichte von Frau Budisavljević sollte viel öfter erzählt werden. Sie lehrt uns, dass man auch als Einzelne(r) einen Unterschied machen kann. Es gibt keine Ausreden dafür, Unrecht tatenlos hinzunehmen. Das ist für mich das Vermächtnis von Diana Budisavljević – und von Onkel Gustav.

 

SPÖ-Rant, Teil 4 – Wachstum

Fortsetzung von Teil 3

4. Wachstum

Wenn eine politische Partei wächst und expandiert, dann wird jedes neue Mitglied mit offenen Armen empfangen, es ist ein Verbündeter auf dem gemeinsamen Weg. Gut zu beobachten ist das derzeit bei den Grünen.

Wenn eine Partei aber schrumpft, dann werden die verfügbaren Futtertröge tendenziell kleiner – denn die Partei hat weniger Mandate zu vergeben und kann weniger Geld ausgeben. Das führt zum paradoxen Phänomen, dass in solchen Organisationen neu Hinzukommende keine Verbündeten sind – sondern potenzielle Gegner im Kampf um die gerade noch verfügbaren Ressourcen. Es findet also schon in den unteren Ebenen der Parteihierarchie eine Negativauslese statt: Insbesondere neue Mitglieder mit gewinnendem Auftreten, die gut reden und andere überzeugen könnten, werden „klein gehalten“ oder am besten gleich wieder vergrault, denn sie könnten ja am eigenen Sessel sägen – egal, ob sie das subjektiv wollen, oder nicht. Diese Negativauslese setzt sich dann natürlich nach „oben“ hin fort, mit den unangenehmen Konsequenzen, die wir alle kennen.

Nachwuchsförderung findet konsequenterweise auch keine statt, denn junge Menschen sind natürlich eine noch größere Gefahr – sie haben oft unkonventionelle Ideen und sind zwar nicht erfahrener, aber leistungsfähiger und „hungriger“ als die Alten. Die aktuelle Demographie mit den immer noch übermächtigen Baby Boomern an den Schaltstellen der Macht tut das ihre zur Verstärkung dieser Phänomene. Im Ergebnis prägen dann die – fast sprichwörtlichen – überalterten SPÖ-Sektionen mit ihren unpolitischen Beschäftigungstherapien das Erscheinungsbild der SPÖ an der Basis.

Das sind natürlich allgemeine Beobachtungen und Prinzipien, zu denen ich jederzeit Beispiele bringen könnte. Es ist mir klar, dass es auch vereinzelte Gegenbeispiele gibt, denn die Partei und ihre Mitglieder sind kein monolithischer Block. Mir geht es aber darum, prinzipielle Strukturen und Funktionsweisen zu diskutieren, nicht Einzelfälle von da und dort.

Und dann gibt es noch ein Spezifikum der SPÖ, nämlich den ausgeprägten hauptamtlichen Apparat an ParteisekretärInnen. Sie haben innerhalb der Organisation überhaupt kein Eigeninteresse, ehrenamtliches Engagement zuzulassen oder gar zu fördern. Denn engagierte ehrenamtliche Aktivistinnen bedeuten zusätzliche Arbeit, sie bedeuten Kontrollverlust und sie gefährden die eigene Position: Ist das ehrenamtliche Engagement nämlich erfolgreich, dann muss sich der oder die hauptamtliche MitarbeiterIn die Frage gefallen lassen, warum er oder sie das nicht selbst getan hat. Ist das Engagement aber nicht erfolgreich, dann fällt es auf den Parteisekretär zurück, denn er/sie muss das verantworten.

Es gibt also viele gute organisationsdynamische Gründe, warum sich die SPÖ in einer Abwärtsspirale befindet und immer mehr Mitglieder, AktivistInnen und letztlich auch WählerInnen verliert. Diese Abwärtsspirale ist sicher nicht die einzige Schraube, an der dringend gedreht werden muss; aber ich denke, diese wurde noch nicht wirklich diskutiert.

Patentrezept, wie man diese Dynamik wieder umdrehen kann, habe auch ich keines. Immerhin läuft das jetzt schon seit Jahrzehnten so ab. Eine echte Organisationsreform muss dem jedenfalls entgegensteuern. Und die ist mehr als überfällig.

Hier geht es zum 5. und letzten Teil.

SPÖ-Rant, Teil 3 – Partizipation

Fortsetzung von Teil 2

3. Partizipation

Es ist ein fast gespenstischer Vorgang: Die SPÖ verliert das Vertrauen der Wähler in bis dato ungeahntem Ausmaß. Der Bundesgeschäftsführer tritt zerknirscht ab. Noch am selben Tag bestellt die Parteiführung einen Nachfolger, offenbar ohne ernsthafte Diskussion was schief gelaufen ist, was anders werden muss oder auch nur, welche Qualifikationen jetzt erforderlich wären.

Natürlich kann man argumentieren, dass es das gute (statutarisch aber nicht verbriefte!) Recht der Parteivorsitzenden ist, sich ihren engsten Mitarbeiter selbst auszusuchen. Aber ist das auch gescheit? Und wozu sitzen dann so viele Menschen in Vorstand und Präsidium? Wie viele Köpfe braucht man, um so eine einsame Entscheidung abzunicken?

Es ginge auch anders: Man stelle sich vor, die Vorsitzende wäre nach dem Abgang von Thomas Drozda vor die Presse getreten, hätte eine Nachdenkpause ausgerufen und Drozda gebeten, noch bis Weihnachten zu bleiben, während ein/e Nachfolge/in gesucht wird.

Daraufhin treten – noch zu diskutierende – Mechanismen innerparteilicher Demokratie in Kraft, zum Beispiel: Es werden Vorschläge für mögliche KandidatInnen gesammelt, diese werden eifrig diskutiert und in den Sektionen und Ortsorganisationen in geheimer Wahl abgestimmt. Übrig bleibt eine Shortlist der bestgereihten KandidatInnen, die sich zwei Wochen lang im Internet und in parteiinternen Townhall-Meetings vorstellen und ihre Konzepte diskutieren – untereinander und mit der Parteibasis. Zum Schluss wählt die Parteibasis in einer Urabstimmung den oder die neue/n BundesgeschäftsführerIn.

Was haben wir gewonnen? Wir aktivieren den gesamten Parteiapparat, führen wichtige Diskussionen, reden erstmal seit langem wieder mit der Basis und schaffen es so, die SPÖ schrittweise zu reformieren und zu re-politisieren.

Was haben wir verloren? Hinterzimmerentscheidungen als Schnellschüsse ohne Substanz.

Um nicht mißverstanden zu werden: Ich bin kein Freund von Basisdemokratie unter allen Umständen. Ich halte es für wichtig, dass in der Besetzung von Vorständen oder Wahllisten ein innerparteilicher Interessensausgleich stattfindet. Ich halte das für einen Vorteil gegenüber den bei den Grünen praktizierten Mehrheitsentscheidungen der Basis, denn die sind mit Interessensausgleich nicht kompatibel.

Dieses Argument gilt aber nicht für Spitzenpositionen auf allen Ebenen. Die Leitfigur bzw. der oder die leitende Angestellte sollte immer von der Basis gewählt werden, ich finde kein ernsthaftes Argument, das dagegen spricht. Egal, ob es sich um Landesparteivorsitzende, BezirksparteisekretärInnen, SpitzenkandidatInnen auf jeder Ebene oder um Frauenvorsitzende handelt: Die Spitze ist zu wichtig, um sie im kleinen Kreis auszumauscheln.

Und bei dieser Gelegenheit: Dieser Vorschlag lässt sich auch gut mit einem anderen Vorschlag zur Förderung von Frauen in Spitzenpositionen kombinieren, den ich vor einiger Zeit gemacht habe. Wann wäre denn die Zeit, innerparteilich neue Wege zu gehen, wenn nicht jetzt?

Post Scriptum: Ich wurde darauf hingewiesen, dass ein gekündigter Parteimanager besseres zu tun hätte, als weitere drei Monate „dead man walking“ zu spielen. Das ist natürlich völlig richtig. Man hätte ja zum Beispiel auch seine Stellvertreterin provisorisch mit seiner Nachfolge betrauen können. Das ändert nichts am Prinzip.

Zu Teil 4