Das Ende der Vranitzky-Doktrin

Einige Gedanken zum Wahlabend der Nationalratswahl 2024 und den Konsequenzen aus dem Wahlergebnis.

Könnten wir uns jetzt endlich darauf einigen, dass nach 38 Jahren die Vranitzky-Doktrin endgültig gescheitert ist?

Eine Strategie, die nachweislich über Jahrzehnte nicht funktioniert, hat ausgedient. Das gilt auch für ihre Derivate, die sich „Brandmauer“ oder so ähnlich nennen.

Ist das ein Plädoyer für eine Koalition mit der FPÖ? Nein, ganz sicher nicht.

Aber es ist ein Plädoyer dafür, die freiheitlichen WählerInnen und ihre Wahlmotive endlich ernst zu nehmen und nicht weiterhin in die Proteststimmen-Schublade zu stecken – so, wie das Andi Babler in seiner ersten Reaktion wieder getan hat.

Für 45 % der FPÖ-WählerInnen waren die Inhalte der Partei ausschlaggebend für ihre Stimmabgabe. Die Leute überlegen sich tatsächlich, was sie tun.

Das heißt aber auch nicht, dass man sich diese Wahlmotive zu eigen machen sollte. Natürlich nicht! Einfache Lösungen für komplexe Probleme haben noch nie gute Ergebnisse gebracht.

Aber: Die dahinterliegenden Probleme müssen endlich ehrlich analysiert werden!

Da geht es nicht so sehr um ökonomische Sorgen: Nein, die Leute wählen nicht den, der sie am besten füttert; Sie wählen den, dessen Werte sie teilen, auch, wenn das bisweilen gegen ihre eigenen ökonomischen Interessen geht.

Es geht vielmehr um das, was SoziologInnen „Veränderungserschöpfung“ nennen: Die Welt und das eigene Leben ändern sich rasant, ohne, dass sich die Leute diese Veränderungen gewünscht hätten oder sie auch nur beeinflussen könnten.

Diejenigen, denen das zu viel ist, wählen dann jene, die ihnen einen Rückkehr zur „guten alten Zeit“ versprechen – die es freilich so nie gegeben hat.

DAS sind die Sorgen und Ängste, die man ernst nehmen sollte.

Dafür ist es nötig, dass die SPÖ endlich eine gründliche Analyse dieser Motive vornimmt und ihre Strategie entsprechend anpasst. Wissenschaftliche Daten und Forschungsergebnisse dazu gibt es ohne Zahl – man sollte sie endlich rezipieren.

Sonst wird es leider nie mehr besser werden, denn das Tempo der gesellschaftlichen Änderungen wird sich nicht mehr verlangsamen – ganz im Gegenteil.

Wie problematisch ist „problematisch“?

Das Moment Magazin veröffentlichte heute einen Beitrag auf Facebook zur Kritik des 20 Jahre alten Films „Tatsächlich… Liebe“ (im Original: „Love Actually“). Ich habe ein paar prinzipielle Gedanken dazu verfasst:

Ich glaube, was Linke meiner Generation in erster Linie stört ist, wenn uns jemand mit Absolutheitsanspruch erklären will, was „problematisch“ sei. Mir stellt es bei dieser Sprache sämtliche Nackenhaare auf, die war früher allenfalls bei maoistischen und trotzkistischen Gruppen in Gebrauch.

Ich finde das auch umso origineller, denn genau die Leute, die anderen erklären wollen, was problematisch ist, sind auch die, die sonst sehr hellhörig gegenüber „Mikroaggressionen“ und Gewalt in der Sprache sind. Aber wie gewalttätig kann Sprache noch werden, wenn man anderen Leuten den eigenen Absolutheitsanspruch überstülpen will? Wenn ich die Prinzipien gewaltfreier Kommunikation richtig verstanden habe, dann sollte man zumindest immer klarstellen, dass es sich um eine persönliche Meinung („Ich finde das problematisch“) und nicht um die absolute Wahrheit handelt.

Abgesehen davon: Was will man mit so einem Text erreichen, außer, dass man älteren Semestern ihre Kindheit ruiniert? Dass Jüngere nicht von den darin enthalteten Botschaften vergiftet und vom wahren Weg abgebracht werden? Auch dieser Aspekt erscheint mir etwas totalitär. Und die Inhalte, die für jüngere Leute wirklich „problematisch“ sind, finden sich wohl eher im heutigen TikTok und Insta als in 20 Jahre alten Schmachtfetzen.

Und, auch wenn es heutige junge Linke überraschen mag: Wir waren in unserer Jugend umzingelt von „problematischem“ Kulturgut, so, wie sämtliche Generationen der Menschheit vor uns. Wir haben sogar den Struwwelpeter in unseren Krabbelstuben überlebt, ohne davon traumatisiert zu werden und wir haben „Hatschi Bratschis Luftballon“ gelesen, ohne zu furchtbaren Rassisten zu werden. Wenn es die implizierte 1:1-Beziehung zwischen dem Konsum „problematischer“ Inhalte und der Vergiftung des Denkens geben würde, dann hätte es noch nie einen gesellschaftlichen Fortschritt gegeben – denn „früher“ waren praktisch alle Kulturgüter aus Eurer heutigen Sicht problematisch.

Zur Klarstellung: Das bedeutet nicht, dass ich alles, was „früher“ war gut und verteidigenswert finde (ich kenne auch den Film nicht, er ist mir völlig egal). Ich plädiere nur für etwas mehr Gelassenheit und etwas weniger Arroganz und Absolutheitsanspruch. Das würde auch dabei helfen, Allianzen über Generationen hinweg zu schmieden – denn keine Generation lässt sich von einer nachfolgenden die Heldinnen und Helden ihrer Kindheit madig machen – auch, wenn sie noch so „problematisch“ sind.

Bildnachweis: „problematisch“ by verbformen.de, CC BY-SA 4.0

 

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