Wer braucht Krankenversicherungen?

Ein grantiges Pamphlet zum „Vertragslosen Zustand“, in dem sich alle SVA-Versicherten Anfang Juni 2010 befanden. Es erschien am 4. Juni 2010 in meinen facebook-Notes und auf der blackbox.

Ich weiß schon, „es ist alles sehr kompliziert“ und „wer Visionen hat braucht einen Arzt“, um zwei abgedroschene Zitate österreichischer Bundeskanzler nochmals hervorzukramen. Aber es ist doch so: Jeder braucht eine Versicherung gegen Krankheit, aber wer braucht Krankenversicherungen? Und davon gleich 19 Stück?

In der vergangenen Wochen hat das alte, in der 2. Republik mühsam von zünftisch auf sozialpartnerschaftlich umgestrickte System der „selbstverwalteten“ Sozialversicherungen eindrucksvoll unter Beweis gestellt, daß es komplett reformiert werden muß, und zwar dringend.

Exkurs ad „selbstverwaltet“: Hat sich schon einmal jemand ernsthaft die Frage gestellt, worin diese „Selbstverwaltung“ eigentlich besteht? Auf der Website der SVA sind unter dieser Überschrift lediglich Stehsätze zu finden.
Man erfährt allerdings, daß es einen Haufen Gremien gibt, und daß diese von der WKÖ und anderen Organisationen beschickt werden. Die Namen dieser Organisationen erfährt man nicht, ganz zu schweigen von den Namen der handelnden Personen. Und dann erfährt man noch, daß es einen „Beirat“ geben soll, dem „Vertreter der Versicherten“ angehören. Wer und vor allem wo sind die? Wer hat sie legitimiert? Und warum sagen die nichts, wenn denen, die sie vertreten sollen, gerade das Wasser bis zum Hals steht?

Die Situation ist also mehr als unbefriedigend. Das österreichische Gesundheitssystem wird von einem Wildwuchs an Organisationen beherrscht, die damit beschäftigt sind, ihre Versicherten und sich selbst zu verwalten und die Leistungen, die diese in Anspruch nehmen, mit den Ärzten zu verrechnen. Wir sprechen hier von 19 getrennten Körperschaften (und einem Hauptverband), die alle über Vorstände, Beiräte, Generalversammlungen, Kontrollversammlungen, Datenbanken, Rechnungskreise, IT-Abteilungen, Tintenburgen undwasweißichnochalles verfügen. Wir sprechen über einen völlig unnötigen und aufgeblähten Verwaltungsapparat, den kein Mensch braucht, und das in Zeiten von Budgetknappheit, Einsparungen und dringend nötiger Verwaltungsreform. Dabei könnte alles viel einfacher sein.

Den Apparat, den man dafür benötigen würde, um allen(!) hier lebenden Menschen eine anständige Gesundheitsversorgung zukommen zu lassen gibt es nämlich schon: Die Finanzämter und das Gesundheitsministerium. Erstere könnten die Beiträge zum Gesundheitssystem ganz einfach als Steuern einheben, und letzteres könnte die Verhandlungen mit der Ärztekammer führen, um ein einheitliches Tarifsystem auszuarbeiten und regelmäßig zu ergänzen. Es würde dann einfach jeder, der im Melderegister geführt wird (oder einen Aufenthaltstitel hat) bei seiner Bezirkshauptmannschaft seine eCard bekommen. Die Beiträge zum Gesundheitssystem (vulgo Gesundheitssteuer) würden zweckgebunden mit der Lohn- und Einkommenssteuer eingehoben und wie bisher sozial gestaffelt. Und wer kein Einkommen hat zahlt auch nichts, warum auch? Wir sind eines der reichsten Länder der Welt, und wir werden es wohl zusammenbringen, daß jeder, der hier lebt, auch eine anständige ärztliche Versorgung erhält. Das Geld, das man durch die Einsparungen in der Verwaltung lukrieren könnte, würde wohl locker reichen, um diejenigen, die bisher durch den Rost gefallen sind, wieder ins System hineinzuholen.

Wie eingangs erwähnt, eine solcher Umbau des Systems ist sicher „kompliziert“ und eine „Vision“. Aber ich denke es lohnt, darüber nachzudenken. Denn wenn man einen großen Wurf will, dann wird man auch in der Lage sein, die dabei am Weg dahin auftretenden Probleme (wie z.B. die Zukunft der tausenden Angestellten, die dann niemand mehr braucht) zu lösen. Wir müssen nur wollen.

Michael Eisenriegler
Genealogie, (Online-)Medien, Journalismus, (Netz-)Politik, Mongolei, Buddhismus, Single Malts, Analogue Audio.

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