Gustav, Teil 4: 1933-1958

Lydia Grosspietsch, die junge Liebe

Lydia von Koczian - Kopf einer Bronzestatue von Toni Schneider-Manzell aus 1948
Lydia von Koczian – Kopf einer Bronzestatue von Toni Schneider-Manzell aus 1948

Gustavs vierte Ehefrau wurde am 19. April 1935 in Manhattan die 35 Jahre jüngere Lydia Grosspietsch (4.11.1912-30.11.1953). Sie war die Mutter der späteren Schauspielerin und Sängerin Johanna von Koczian (*30.10.1933), Gustavs drittes Kind. Interessant ist übrigens, dass Lydia als Beruf auf der Passagierliste der Reise nach New York „Secret(ary)“ angab, möglicherweise eine Schutzbehauptung, um nicht die Aufmerksamkeit der US-Behörden zu erregen – immerhin war Deutschland damals bereits unter Nazi-Herrschaft. Kurz vor dieser Reise spielte sie nämlich unter dem Künstlernamen Lydia Alexandra in einem Nazi-Propagandafilm mit, und zwar in „Um das Menschenrecht“ (1934). Zuvor hatte sie bereits Rollen in „Eine von uns“ (1932) und in „Visul lui Tanase“ (1933).

Ob Gustav selbst damals mit dem Nationalsozialismus sympathisierte, ist nicht überliefert.

Lydia war gebürtige Berlinerin und zumindest zeitweise lebte das Paar mit der kleinen Johanna während des Krieges (ca. 1939-1943) auch in Berlin-Schöneberg, wie aus dem Berliner Adressbuch hervorgeht. Zum Hauptwohnsitz der Familie zu dieser Zeit wurde allerdings die kroatische Hauptstadt Zagreb.

Gustav von Koczian und die „Aktion Diana Budisavljević“

Was genau Gustav nach Zagreb verschlug ist unklar. Sicher ist aber, dass er dort zum engeren Kreis um den Wehrmachtsgeneral Edmund Glaise-Horstenau gehörte. Glaise-Horstenau war Minister unter Bundeskanzler Schuschnigg im Ständestaat, wandelte sich aber bald zum glühenden Nationalsozialisten und war unter Seyß-Inquart sogar einige Tage Vizekanzler – bis zum Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich. In Zagreb war Glaise-Horstenau Verbindungsoffizier der Wehrmacht zum kroatischen Ustaša-Regime. Im Kriegsverlauf wandelte er sich allerdings immer mehr zum Kriegsgegner und kritisierte insbesondere die von der Ustaša an der Zivilbevölkerung verübten Gräueltaten. In diesem Zusammenhang wurde er zum Gehilfen und Verbündeten der gebürtigen Tirolerin Diana Budisavljević, die aus eigener Initiative ca. 12.000 Kinder aus Ustaša-Lagern rettete und in Sicherheit brachte. Der Vertraute Glaise-Horstenaus, der damals operativ mit Frau Budisavljević zusammenarbeitete und sie – insbesondere gegenüber den kroatischen Behörden – unterstützte, war Gustav von Koczian, wie aus ihren Tagebüchern hervorgeht. Ob Gustav dies nur als Privatperson tat oder ob er auch eine formale Rolle hatte, ist unklar. Er war aber mit ziemlicher Sicherheit kein Angehöriger der Wehrmacht, somit auch kein „offizieller“ Mitarbeiter von Glaise-Horstenau.

Die Rolle Gustavs in der „Aktion Diana Budisavljević“ war bis vor kurzem völlig unbekannt, da er in der gedruckten Ausgabe der Tagebücher fälschlicherweise als „Albert von Kotzian“ bezeichnet wurde. Ein kroatisches Filmteam fand aber im Rahmen der Recherchen zum (nie verwirklichten) Filmprojekt „Diana’s List“ heraus, dass es sich dabei in Wirklichkeit um Gustav handelte.

Nachtrag vom September 2019: Der Film wurde mittlerweile doch fertiggestellt und als „Dnevnik Diane Budisavljević“ (Englischer Titel: „The Diary of Diana B.“) im Jahr 2019 veröffentlicht.

Die letzten Jahre

Nach Kriegsende wurde Gustav zunächst von den US-Behörden (3rd US Army) gesucht, was aber anscheinend folgenlos blieb, über eine Internierung ist jedenfalls nichts bekannt. Überliefert ist eine Aussage Gustavs zu Gunsten des Majors Knehe, der ebenfalls an der „Aktion Diana Budisavljević“ beteiligt war:

„Gustav von Koczian bezeugte im Dezember 1946, dass sich Knehe »unter großen persönlichen und dienstlichen Schwierigkeiten der in Kroatien politisch Verfolgten angenommen« habe und auf diese Weise viele, die von der nationalistischen Ustascha verfolgt wurden, vor dem »sicheren Tode […] gerettet« habe. Koczian berichtete, dass sich der Major etwa 6 500 Kinder, welche die Ustascha ihren Eltern geraubt hatte, angenommen und sie mit Unterstützung des Erzbischofs von Zagreb, Alojzije Stepinac, in Heimen untergebracht habe, wodurch sich Knehe »Anfeindungen« des deutschen Gesandten, des SA-Obergruppenführers Siegfried Kasche, zugezogen habe.“

(Aus der „eidesstattlichen Versicherung von Gustav von Koczian vom 13.12.1946“, zit. nach Nils Havemann: „Fußball unterm Hakenkreuz“, Frankfurt/Main 2005, S. 318).

Schloß Weitwörth
Schloß Weitwörth

Die Familie wohnte nach Kriegsende auf Schloß Weitwörth in der Nähe von Salzburg. Sie litten unter gesundheitlichen und finanziellen Problemen, Gustavs Bruder Hugo musste regelmäßig aushelfen, wie auch aus dessen Briefwechsel mit seiner Stieftochter hervorgeht, zum Beispiel:

„Bruder Gustl sandte mir einen ärztlichen Befund eines Oberndorfer Arztes, in dessen Behandlung G. seit 2 Jahren steht. Es handelt sich um einen Herzmuskelschaden und Kreislaufschaden, außerdem um eine starke Reduktion des Kräfte- und Ernährungszustandes sowie eine chron. Bronchitis mit Asthmaanfällen. Der Arzt schließt mit der Bemerkung, die Krankheit ist als schwer zu bezeichnen.

Ich bin seinetwegen und auch wegen der Zukunft Lydias und Hannis in begreiflicher Sorge, Gustl hat doch jetzt keinen Verdienst und sein Gesundheitszustand wird ihm kaum erlauben seinen beabsichtigten Geschäften nachzugehen. Ich sende ihm unter einem S 200,- die ich ihm zu Ostern zugedacht hatte.“
(Brief von Hugo Koczian an Erika Rokyta, datiert 7. März 1948, Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek)

Lydia starb am 30.11.1953 im Alter von nur 41 Jahren an Lebermetastasen, Gustav folgte ihr am 12.7.1958. Das Grab der beiden am Friedhof von Oberndorf wurde in den 1990er Jahren aufgelassen.

Post Scriptum: Warum der Name Gustav von Koczian in einer schweizerischen Liste herrenloser Vermögen von rassisch, politisch oder religiös Verfolgten aus dem Jahre 1962 auftaucht ist unklar – wie so vieles im Leben dieser schillernden Persönlichkeit…

Zuletzt aktualisiert am 17.2.2024

Ein Kommentar

  1. irre wenn ich denk das ist mein regulärer grossvater- ein völlig unbekannter mensch, mir. glauben tu ich das wenigste über ihn. listig wie ein fuchs doch schon.
    und so gut aussehend. was, onkel hugo, du lieber? wie hiess es bei tisch , maria: gustav /hugo teller wechseln. gustav’s war wohl immer doppelt so voll.

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