Gustav arbeitete also in Mannheim für die Rheinische Automobil-Fabriks-Aktiengesellschaft und wurde ca. 1908 zum Direktor ernannt. Das Paar lebte – zumindest nach Ansicht der Fürstenbergs – auf großem Fuß. 1909 oder 1910 übersiedelten sie nach Frankfurt, Gustav war nun „Privatier“ und beschäftigte sich mit Patenten und Finanzierungen – was immer man darunter verstehen mag. Es ist jedenfalls nur ein Patent bekannt, das er selbst eingereicht hat, es handelt sich dabei um eine Art intelligente Gürtelschnalle. Dieses Patent stammt allerdings erst aus 1933.
Das Paar bekam zwei Kinder, Leo (28.4.1909-?) und Maria Edina (13.11.1910-20.5.2005).
Ansonsten ist aus der Frankfurter Zeit lediglich bekannt, dass Gustav am 4. Februar 1912 der Freimaurerloge „Carl zum aufgehenden Licht“ beitrat. Die Familie litt zunehmend unter Geldproblemen, sodass Amelie sogar gezwungen war, den ererbten Schmuck ihrer 1914 verstorbenen Mutter zu verkaufen um sich über Wasser zu halten – was in nicht enden wollenden Streitereien mit ihren Geschwistern mündete. Der Tod der Mutter führte ausserdem dazu, dass sie nun endgültig jede Unterstützung durch die Fürstenbergs verlor „und da gab es kein Aufhalten mehr auf der abschüssigen Bahn“ – wie ihr Bruder es ausdrückte.
Im Jahr 1915 wurde Gustav aus der Reserve mobilisiert und war bis Jahresende 1915 als Vertreter des Wiener Kriegsministeriums beim „Großen Generalstab“ in Berlin tätig. Angeblich erkrankte er an Malaria und wurde am 1. April 1916 wieder aus der Armee entlassen, diesmal endgültig – allerdings begann er bereits im Februar 1916 als „Generalrepräsentant für Deutschland“ für das neugegründete Berliner Büro der Wiener Spedition Schenker & Co. zu arbeiten. Amelie pflegte ihn nach seinem Spitalsaufenthalt am Semmering. Die Quellenlage über den genauen Ablauf dieser Ereignisse ist leider nicht sehr konsistent. Sein Ausflug in den Krieg blieb immerhin nicht unbedankt, er wurde zum Rittmeister befördert, erhielt am 9. Juni 1915 das Offizierskreuz des Franz-Josefs-Ordens mit der Kriegsdekoration und außerdem das Eiserne Kreuz Erster Klasse durch den deutschen Kaiser. Für letzeres musste er den österreichischen Kaiser um „Bewilligung zur Annahme und zum Tragen“ ersuchen, welche ihm im August 1915 erteilt wurde.
Schon bevor Gustav ins Feld zog dürfte es um die Ehe nicht mehr allzu rosig bestellt gewesen sein, denn am 23. Juli 1915 brachte Amelie ihre Tochter Signe zur Welt, deren Vater der Schauspieler Walter Janssen war (im Fürstenberg-Papier wird der spätere Opernsänger Herbert Janssen als Vater genannt, aber das ist eher unwahrscheinlich, denn der war erstens viel jünger als die Prinzessin und zweitens homosexuell).
Gustav – und vermutlich auch Amelie – wollten nun die Scheidung, was sich aber schwierig gestaltete, denn im cisdanubischen Teil der Habsburgermonarchie gab es noch kein Scheidungsrecht. Der damals nicht unübliche Ausweg bestand darin, die ungarische Staatsbürgerschaft anzunehmen, was beide auch taten. Gustav ließ sich – vermutlich vor diesem Hintergrund – am 3. Februar 1916 vom ungarischen Staatsangehörigen Stefan Miskolci aus Vácz (dem heutigen Vác in Nordungarn) adoptieren und führte ab diesem Zeitpunkt den Namen Baron Gustav von Koczian-Miskolczy. Ob Gustav den Titel „Baron“ zu recht führte ist unklar, es ist nicht einmal bekannt, ob der Herr Miskolczi selbst einer war. In den korrigierten Matriken ist davon jedenfalls nichts zu lesen. Außerdem ist seltsam, dass sich Gustav mit einem „y“ am Ende des Namens schrieb, obwohl in allen vorhandenen Dokumenten von einem Herrn Miskolczi die Rede ist. Für Hinweise zur Aufklärung dieses Rätsels bin ich jedenfalls dankbar.
Die Ehe zwischen Gustav und Amelie wurde vom kgl.Gerichtshof in Budapest mit Wirkung vom 13. Mai 1917 für geschieden erklärt.
Exkurs: Was wurde aus Amelie?
Bereits zehn Tage nach der Scheidung, am 23. Mai 1917, heiratete Amelie ihren Scheidungsanwalt Gustav Scanzoni von Lichtenfels in München. Scanzoni adoptierte später ihre außereheliche Tochter Signe, die unter dem Namen Signe von Scanzoni zunächst hauptsächlich als Theaterkritikerin und später als Lebensgefährtin und Biographin von Erika Mann bekannt wurde.
Im Jahr 1919 wurden Amelie und Scanzoni beinahe zu Opfern der Münchner Räterepublik. Beide wurden von Rotgardisten in einer Schule interniert und nach einigen Tagen vor ein Tribunal gestellt. Scanzoni hielt aber dort eine solch beeindruckende Rede zu seiner und ihrer Verteidigung, dass beide wieder freigelassen wurden. Als sie ein paar Tage später erneut verhaftet werden sollten waren sie bereits am Land in Sicherheit. Moral: Man sollte immer einen Anwalt in der Nähe haben… :-)
Ab 1924 litt Amelie an einer chronischen Lungenkrankheit, von der sie sich nicht mehr erholen sollte. Sie starb am 18. Februar 1929 im Alter von nur 44 Jahren in München.
Vielen Dank für diesen wunderbaren Artikel. Sehr interessant und fundiert.