Rezepte zum Umgang mit der FPÖ den WählerInnen

Spätestens seit der Landtagswahl 2015 in Oberösterreich ist die heimische Politik wieder mal in Aufruhr und auf der Suche nach Rezepten, um einen weiteren Aufschwung der FPÖ zu verhindern. In Wirklichkeit geht es aber gar nicht um die FPÖ, die ist nur das Symptom dafür, was alles falsch läuft. Es geht um ganz einfache Dinge, die ich kurz zusammenfassen möchte:

Vertrauen, Hoffnung und Leadership

Die parlamentarische Demokratie ist eine im Kern paternalistische Angelegenheit, zumindest in der Form, in der sie bei uns (leider) gelebt wird: Alle paar Jahre wählt man einen pater familias (in manchen Fällen auch eine mater), in der Erwartung, dass das Land/Bundesland/Dorf sowie die eigenen Interessen bei ihm/ihr in guten Händen ist. Damit ist die demokratische Übung auch schon abgeschlossen, aber die Arbeit für den Gewählten beginnt erst: Er soll Ideen, Konzepte und Visionen haben und die Macht, diese auch durchzusetzen. Er muss einen untadeligen Charakter haben, der Vertrauen erweckt und dieses nicht mißbraucht. Er muss den Menschen Hoffnung geben, dass „alles“ besser wird und nicht schlechter.

Die Hypo Alpe Adria und die Flüchtlingskrise sind gute Beispiele dafür, wie man es nicht macht: Frühe Warnsignale wurden in beiden Fällen jahrelang mißachtet und das Krisenmanagement war hilflos. Die Bundesregierung war – im Fall der Flüchtlingsunterkünfte – nicht einmal in der Lage, bestehende Verträge gegenüber Landeshauptleuten und Bürgermeistern durchzusetzen. In höchster Not wurde dann in Gestalt des ehemaligen Raiffeisen-Generalanwalts Konrad auf den pensionierten „Paten der Paten“ zurückgegriffen, in der Hoffnung, dass zumindest er noch genügend Autorität habe, um Flüchtlingsunterkünfte zu organisieren. Was für ein Armutszeugnis.

Im Falle der Hypo wurde das Vertrauen der Bevölkerung mißbraucht, das Problem wurde über Jahre schöngeredet und kleingerechnet, die Wahrheit kommt jetzt erst langsam ans Licht – und sie ist dramatisch.

Die Bevölkerung hat die Hoffnung aufgegeben, das Vertrauen ist weg und Leadership war nie vorhanden.

Ausnahmen im Umgang mit der Flüchtlingskrise bestätigen die Regel, wie der Traiskirchner Bürgermeister Babler und der Wiener Bürgermeister Häupl und noch einige andere – rote wie schwarze – eindrucksvoll unter Beweis stellten. Aber auch sie können die Versäumnisse der Bundesregierung und der Koalitionsparteien nicht im Alleingang wettmachen: Wie viele Flüchtlinge können und wollen wir aufnehmen, wo werden die wohnen, arbeiten, in die Schule oder in den Kindergarten gehen? Wie viel wird das kosten und woher kommt das Geld? Die Leute wollen klare Antworten und nicht Herumgedruckse und Ausflüchte, auch das ist Leadership.

Politik als Handwerk

Oft unterschätzt und meiner Meinung nach zu wenig gewürdigt ist die Wichtigkeit der handwerklichen Qualität von Politik, und auch die hat wieder mit Vertrauen zu tun. Dazu gehören nicht nur respektvolle Umgangsformen mit dem politischen Mitbewerber (ernst nehmen, ausreden lassen und ähnliche Selbstverständlichkeiten), sondern auch die Qualität des politischen Prozesses selbst. Die Gewaltentrennung zwischen Exekutive und Legislative wird ausgehöhlt („der Ministerrat hat ein Gesetz beschlossen“), es werden im Schnellverfahren Gesetze „durchgedrückt“, die sich einzelne Interessensgruppen selbst geschrieben haben oder es werden Gesetze verabschiedet, von denen von vornherein klar ist, dass sie verfassungswidrig sind – nur um etwas Zeit zu gewinnen. Ein sehr abschreckendes Beispiel ist hier das Hypo-Sondergesetz, um auch „die anderen Gläubiger in die Pflicht zu nehmen“ – das postwendend vom VfGH wieder aufgehoben wurde. Diese Art von politischem Aktionismus schädigt das Vertrauen in die politischen Akteure und in die Institutionen enorm.

Transparenz und Umgang mit Steuergeld

Ebenfalls um Vertrauen geht es bei m Thema Transparenz: Österreich hat nun seit einigen Jahren eine Reihe von Gesetzen, die Transparenz in die Politik bringen sollen. Diese Gesetze tragen nichts zu wirklicher Transparenz bei und verschlimmern somit nur das Mißtrauen der Bevölkerung gegenüber den politischen Akteuren – es fehlen zum Beispiel Banalitäten wie die Offenlegung der Vermögen der Abgeordneten und Regierungsmitglieder. Politikerinnen und Politiker sollten aber vor der Bevölkerung keine finanziellen Geheimnisse haben dürfen, denn dafür ist ihre Verantwortung für die Gemeinschaft zu hoch.

In diesem Zusammenhang geht es aber auch um den Umgang mit Steuergeldern. Ein Informationsfreiheitsgesetz, das diesen Namen verdient, gibt es hierzulande nicht, daher auch keine Einschau in die Verwendung der Steuergelder. Sind die hunderten Millionen, die in jeder Legislaturperiode vor allem zur Finanzierung von Boulevardmedien durch Inserate ausgegeben werden, auch tatsächlich gerechtfertigt? Oder dienen Sie nur dazu, die Zeitungen bei Laune zu halten? Und, wenn ja, nützt das überhaupt etwas? Die Tatsachen sind mangels Informationsfreiheit im Dunkeln, eine Meinung kann sich dazu jeder bilden und das passiert wohl auch…

In Zeiten stagnierender Einkommen und hoher Steuerlast dreht verantwortungsvolle Politik jeden Euro zweimal um, bevor sie ihn ausgibt. Tut sie das auch wirklich?

Demokratie und (politische) Bildung

Kreisky wollte noch das ganze Land mit Demokratie durchfluten und die Öffnung des Bildungssystems stand bei ihm ganz oben auf der Agenda – und beides aus gutem Grund: Er wusste, dass Menschen, für die demokratisches Handeln (abseits der oben erwähnten paternalistischen Rituale) eine Selbstverständlichkeit ist, weniger geneigt sind, einem Führer hinterherzulaufen – genausowenig wie Leute, die ein hohes Bildungsniveau haben und gewohnt sind zu hinterfragen und in komplexen Zusammenhängen zu denken.

Wo stehen wir heute? 15 % der Schulabgänger sind funktionale Analphabeten, die gerade noch eine Speisekarte lesen können und der Österreich-Konvent ging vor über 10 Jahren ergebnislos zu Ende. Die Weiterentwicklung der Demokratie ist kein Thema mehr und jede allerkleinste Regung für eine Bildungsreform wird seit Jahrzehnten blockiert. Die SPÖ fordert zwar ebenso lange eine Gesamtschule, ist aber nicht in der Lage sie durchzusetzen – wohl auch, weil Bildung für weite Teile der Bevölkerung weniger Stellenwert besitzt als ein neues Auto. Auch das ist eine Folge der Versäumnisse der Bildungspolitik – auch der SPÖ.

Aber auch in der SPÖ selbst sind Bildungsarbeit und innerparteiliche Demokratie nur von untergeordnetem Interesse, es regiert – nicht ganz zu Unrecht – die Angst vor dem Zorn der Basis, dem die Parteispitze nach Ausschaltung der innerparteilichen Isolierschicht ungeschützt ausgesetzt wäre. Wenn die Partei in ihrem Inneren nicht vorlebt, was sie nach außen hin fordert – wer soll sie dann noch ernst nehmen?

Die Menschen mögen und authentisch sein

Wie jemand in die Politik gehen kann, der die Menschen nicht mag, ist mir ohnehin ein Rätsel. Manche spielen diese Volksnähe besser oder schlechter (nach Besuch einschlägiger NLP-Rhetorikseminare), aber das Volk merkt trotzdem im Normalfall sehr schnell, ob jemand authentisch ist, tut was er/sie sagt und vor allem: die Leute wirklich gerne hat. PolitikerInnen ohne diese Qualität sollten sich möglichst schnell wieder aus der Politik verabschieden, sie richten – auch, wenn sie andere Qualitäten haben – mehr Schaden an, als sie Nutzen bringen.

It’s the economy, stupid!

Österreich befindet sich im achten Jahr einer Wirtschaftskrise und die Probleme der kleinen Leute sind real: Die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Reallohnsteigerungen gering, die Lohn(neben)kosten und die Steuern astronomisch und das Wirtschaftswachstum kommt nicht von der Stelle. Die klassischen Möglichkeiten zur Gegensteuerung sind dank Hypo Alpe Adria und dank (halbherziger) Austeritätspolitik begrenzt. Wo sind die neuen (vielleicht auch mal um die Ecke gedachten?) Konzepte, wo ist der nationale Kraftakt, die Aufbruchsstimmung, wo bleibt die Leadership? Die Wirtschaftslage (wenn sie nicht wieder einmal schöngeredet wird) ist genauso schlecht wie die Stimmung. Kein Wunder, dass sich die Leute nach Alternativen zu den etablierten Parteien umsehen.

Die „anderen“ Rezepte

Noch kurz ein paar Worte zu den anderen Rezepten zum Umgang mit der FPÖ, die durch den politischen Diskurs geistern:

Antifa

Das Konzept, die FPÖ und ihre Wähler taxfrei zu Nazis zu erklären und folgerichtig zu „bekämpfen“ ist keines und nützt niemanden. Politische Überzeugungsarbeit beginnt nicht damit, dass man die Faschismuskeule auspackt, sondern damit, dass man die Leute ernst nimmt und mit ihnen redet. Das eine schließt das andere aus und ist folgerichtig kontraproduktiv.

Ein besonders eindrucksvolles und vielleicht etwas polemisches Beispiel für das Versagen der „Antifa“-Strategie ist die oberösterreichische Stadt Wels: Sie beherbergt seit über 30 Jahren eine sehr aktive Antifa-Gruppe, die auch immer wieder überregional für Aufsehen sorgt. Bei den Gemeinderatswahlen 2015 errang der FPÖ-Bürgermeisterkandidat in der ehemals roten Hochburg fast 48 % der Stimmen. Das ist vielleicht nicht das „Verdienst“ der Antifa, aber jedenfalls hat sie auch nichts dagegen ausrichten können.

Um nicht mißverstanden zu werden: Nichts liegt mir ferner als eine nationalsozialistische Gesinnung und die Bekämpfung neonazistischer Umtriebe auch mit Mitteln des Strafrechts ist – aufgrund der historischen Erfahrungen – nur recht und billig. Aber politische Strategien sehen anders aus.

Die Vranitzky-Doktrin

Die von der FPÖ oft zitierte sogenannte „Ausgrenzung“ (auch „Vranitzky-Doktrin“) ist, empirisch betrachtet, vermutlich genauso erfolglos, wie die „Antifa“-Strategie. Sie hat wohl noch niemanden davon abgehalten die FPÖ zu wählen. Was sie aber geleistet hat (und noch weiterhin leistet), ist, die Funktionstüchtigkeit der Republik sicherzustellen. Die FPÖ-Regierungsbeteiligungen in Kärnten und im Bund haben eindrucksvoll bewiesen, dass mit Rechtspopulisten kein Staat zu machen ist – und verantwortungsvolle politische Kräfte werden daher auch weiterhin keine Koalitionen mit der FPÖ eingehen.

„Die Ängste und Sorgen ernst nehmen“

Wenn man die „Ängste der Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen“ will, so wie das oft vor und vor allem nach Wahlen zu hören ist, dann muss man dafür Sorge tragen, dass es gar nicht so weit kommt – siehe oben. Wenn eine Politikerin oder ein Politiker diesen Satz ausspricht, ist es im Normalfall schon zu spät…

Bildnachweis: „Hitler Cat“ by ydant auf FlickrCC BY-NC-ND 2.0

„Festung Europa“ vs. „No Border No Nation“

Letta a LampedusaDie „Festung Europa“ ist unerträglich, aber ein blauäugiges „No Border No Nation“-Gefasel ist auch keine Antwort. Aber hat überhaupt jemand eine Antwort auf die mittlerweile schon wöchentlich eintreffenden Horrormeldungen über ertrunkene Bootsflüchtlinge? Ich bin heute zufällig über ein schon etwas älteres Blog-Posting von Christoph Chorherr zu dem Thema gestolpert, das gerade wieder aktueller ist denn je.

Es braucht jedenfalls eine gemeinsame Kraftanstrengung und ein gemeinsames Ziel der Europäischen Politik und vielleicht kann Christophs Vorschlag bei der Formulierung eines solchen Ziels helfen. Es ist der Anfang einer Diskussion und nicht ihr Ende, aber eine überzeugendere Vision zu diesem Thema habe ich jedenfalls noch nirgends gefunden. Daher: Dringende Leseempfehlung!

Bildnachweis: „Letta a Lampedusa“ von Palazzo Chigi – Some Rights Reserved

Nanny-Staat vs. mündige Bürger

In den letzten Wochen ist die Diskussion über ausufernde staatliche Verbote und Einschränkungen der persönlichen und der Erwerbsfreiheit neu aufgeflammt. Robert Misik hat in seinem Videoblog vom 6. April 2015 die „Rhetorik von der Verbotsgesellschaft“ auf’s Korn genommen, aber auch einen „vernüftigen Kern“ in der Kritik am Nanny-Staat gefunden. Ich möchte nun an einem Beispiel illustrieren, warum wir wachsam sein sollten – und was die Alternativen sind.

Kennzeichnungspflicht für bearbeitete Werbefotos

Frauenministerin Heinisch-Hosek (SPÖ) hat vor wenigen Tagen eine alte Forderung wiederbelebt, wonach „mit Bildprogrammen bearbeitete Frauenkörper“ gekennzeichnet werden sollen, und zwar mittels Ampelsystem, je nach Grad der Bearbeitung. Ein Vorschlag, der natürlich auf den ersten Blick einleuchtet, denn wer will schon, dass die Mädchen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen von der Modeindustrie ein völlig falsches Körperbild vermittelt bekommen und später womöglich unter Anorexie oder Bulimie leiden und sich weiterhin zu tausenden auf „PRO-ANA“-Seiten tummeln?

Photoshop before-afterAuf den zweiten Blick finde ich den Vorschlag gruselig: Es gibt viele Dinge, die tagtäglich medial auf uns einströmen, die – vorsichtig ausgedrückt – gesellschaftlich nicht nützlich sind, zumindest nicht nach sozialdemokratischen Standards: Werbung für rechtsradikale Ideologien und Pornographie sind die Klassiker, aber auch Seiten, die Verschwörungstheorien verbreiten, die Werbung für dubiose Sekten machen oder die schlicht zum Verzehr von Fast Food und überzuckerten Limonaden, zum Rauchen oder zum Alkoholkonsum auffordern. Die Drogen und die Anleitungen zum Bombenbasteln darf man auch nicht vergessen. Und die Urheberrechtsverletzungen, natürlich.

Das Böse ist immer und überall, aber wollen wir das wirklich alles verbieten? Und, wenn ja, wie soll das praktisch funktionieren? Zeitungen kann man ja zur Not noch beschlagnahmen lassen, aber was ist mit dem Internet? Konsequenterweise, wenn wir das Primat der heimischen Verbotspolitik ernst nehmen wollen, brauchen wir eine „Great Chinese Firewall“, die nur noch das „gute Internet“ nach Österreich lässt und alles böse vor den Grenzen bleibt. Und, um zu den Modelbildern zurückzukommen: Nachdem die meisten von denen ja aus internationalen Quellen nach Österreich gelangen brauchen wir dann auch eine Provenienzforschung und eine spezialisierte Kripo-Abteilung, die mit forensischen Methoden falsch deklarierte Bilder ausfindig macht. Jedes zusätzliche Verbot schafft auch zusätzliche Arbeit für die Polizei und damit – zumindest potenziell – auch mehr Polizisten.

Konsequent weitergedacht führt also jede Art von Inhaltskontrolle in den Medien zum Überwachungsstaat, denn ein Staat, der seine eigenen Regeln nicht ernst nimmt und nicht durchsetzt hat eigentlich schon ausgedient. Ich weiß schon, wir sind in Österreich, und hier wird nicht alles so heiß gegessen wie gekocht, aber schon alleine die Tendenz und die immer gleichen Diskussionen zu diesen Themen bereiten mir Sorgen.

Was ist aber die Alternative? Bildung, Bildung, Bildung. Der Vorschlag mit dem Ampelsystem hat immerhin den Vorteil, dass das Publikum, das mangels Lesekompetenz ohnehin nur mehr die Bilder in den Zeitungen betrachtet, nicht überfordert wird. Aber haben wir uns wirklich schon damit abgefunden in einem Staat zu leben, in dem locker 20 % funktionale Analphabeten leben? Menschen, die nicht einmal mehr die Inhalte der trotzdem eifrig konsumierten Boulevardmedien (4 Mio. Österreicher und Österreicherinnen „lesen“ täglich Kronen Zeitung, Heute, oder Österreich) verstehen? Ist es nicht hoch an der Zeit, das Bildungssystem grundlegend neu zu denken?

Wie wäre es zum Beispiel, ein Fach „Medienkunde“ an den Schulen einzuführen, in dem die jungen Leute lernen, sich mit ihrer medialen Umwelt auseinanderzusetzen, in dem sie lernen, hinter die Kulissen zu blicken, Informationen selbst zu recherchieren und kritisch an Quellen heranzugehen? In dem sie lernen, zu reflektieren und sich selbst auszudrücken. Und, in dem sie lernen, wie manipulativ Werbung sein kann, nicht nur in der Bildbearbeitung, aber auch. Das ist nur ein Vorschlag und sicher kein Allheilmittel, aber in diese Richtung sollte sich die Diskussion meiner Ansicht nach bewegen.

In einem Land mit hohen Bildungsstandards braucht man weniger Verbote, denn mündige Bürger und Bürgerinnen können selbst besser beurteilen, was gut für sie ist. Das ist die Gesellschaft, in der ich leben möchte.

Praktischerweise ist die Frauenministerin auch Bildungsministerin, sie müsste also nur die Diskussion von einer Sektion ihres Ministeriums in die andere verlagern. Ich bitte darum.

Bildnachweis: Sebastien Guy, „retouche-photo“ – Some Rights Reserved.