Karl Koczian, der Phantasiebegabte

Philipp Jakob Koczian wurde am 29. April 1702 in Hohenmauth geboren. Geht es nach dem Direktor des k.k. Statthalterei-Archivs in Böhmen, Karl Köpl, würde diese Geschichte hier schon wieder enden (s.u.). Ein Philipp Koczian taucht erst Jahrzehnte später in Humpoletz (dem heutigen Humpolec) wieder auf. Er war Tuchmacher, heiratete eine Anna, hatte mit ihr drei Söhne, darunter Kaspar, und starb am 23. März 1768 in Humpoletz. Ob jener Philipp, der in Hohenmauth geboren wurde, aber mit jenem Philipp, der in Humpoletz starb und mit Anna drei Kinder hatte, ident ist, ist nicht bewiesen, aber relativ wahrscheinlich.

Kaspar Koczian (*28.12.1757 in Humpoletz) war Tuchmachermeister wie sein Vater, heiratete Anna Kubaczek am 22.8.1780 in Humpoletz und hatte mit ihr vier Söhne, darunter Franz.

Franz Koczian (*19.7.1787) heiratete Franziska Příborský am 21.9.1813 in Humpoletz und war Tuchmacher in dritter Generation. Das Paar hatte drei Söhne, darunter wieder einen Franz.

Franz Koczian (*24.10.1817 in Humpoletz) war, wie seine Vorfahren, Tuchmachermeister und heiratete die aus Bohorodczany in der heutigen Ukraine stammende Anna Malat am 28.11.1843 ebenda. Das Paar hatte eine Tochter und einen Sohn, Karl.

Karl Koczian (*12.10.1853 in Humpoletz, †28.1.1931) wird gerne mit dem anderen Karl Koczian verwechselt, mit dem er nicht nur den Namen, sondern auch das dringende Verlangen nach Anerkennung seines angeblich ererbten Adels teilte. Er heiratete am 5.11.1883 Luise Závodský. Kinder des Paares sind bisher keine bekannt.

Karl konnte offenbar das von seinen Vorfahren ererbte Tuchmachergeschäft erfolgreich weiterführen, seine Berufsbezeichnung war „Fabrikant“.

Um beweisen zu können, dass er auch wirklich adeliger Abkunft sei, schreckte er vor den abstrusesten Ideen nicht zurück und bombardierte von 1902 bis 1911 das Innenministerium in Wien und andere Behörden mit Eingaben zur Anerkennung seines behaupteten Adelstitels mit dem Prädikat „von Kronenfeld“. Das Innenministerium beauftragte schließlich den Direktor des Statthalterei-Archivs in Prag, Karl Köpl, die Angaben des Karl Koczian zu überprüfen und dazu entsprechende Nachforschungen anzustellen. Das Gutachten des Herrn Köpl kam 1909 zum Schluß, dass der „Bittsteller“ nicht beweisen konnte, dass er tatsächlich adelig sei, das wurde ihm dann auch mit einer ausführlichen Begründung mitgeteilt. Im internen Aktenvermerk zum Entwurf des Bescheides heißt es allerdings, dass Karl Koczian „an einer krankhaften mania combinatoria zu leiden scheint“. Auch Karl Köpl bescheinigt ihm im Gutachten, dass er eine „lebhafte Phantasie“ besitze.

Nebenbei bemerkt spielte das Gutachten auch im fast zeitgleichen Prävalierungsverfahren des Hugo Koczian eine wichtige Rolle — das letztlich ganz anders ausging.

Sowohl den Eingaben des Karl Koczian als auch den akribischen Recherchen des Karl Köpl verdankt die Familienforschung wertvolle Erkenntnisse zur Geschichte und den Geschichten der Familie Koczian. Ich habe daher das gesamte Gutachten des Herrn Köpl originalgetreu transkibiert und stelle es hiermit allen Interessierten als PDF-Datei zur Verfügung:

Gutachten des k.k. Statthalterei-Archivs Prag zu den Eingaben des Karl Koczian (1908/09)

Der gesamte Akt, der auch die Eingaben des Karl Koczian und viele andere Materialien zur Geschichte der Familie Koczian enthält, liegt im Prager Staatsarchiv auf.