Koalitionen zwischen SPÖ und FPÖ – Was war die Frage?

FPÖ Wahlplakat "Abendland in Christenhand"

 

Vor 30 Jahren legte sich Kanzler Vranitzky fest, dass es keine Koalition der Sozialdemokratie mit den Freiheitlichen geben dürfe. Seither wurde daraus ein – über weite Strecken inhaltsleerer – dogmatischer Glaubenssatz.

Mittlerweile hat die SPÖ schon so viele Inhalte und Forderungen von der FPÖ übernommen, dass sich die beiden Parteien in manchen Politikbereichen kaum mehr unterscheiden. Aus dieser Perspektive wäre es durchaus logisch, auch im Parlament endlich einmal zueinander zu finden, oder nicht?

Ich halte die Frage für falsch gestellt. Aus meiner Perspektive geht es nicht darum, ob es eine Koalition mit der FPÖ geben darf, sondern, ob es sie geben kann. Eine SPÖ, die ich mir wünsche, würde überhaupt nicht auf diese Idee kommen.

Kleingeistiger autoritärer Nationalismus nach dem Vorbild Ungarns, Polizei- und Überwachungsstaat, militärische Aufrüstung, das Ausspielen von „Inländern“ gegen „Ausländer“ oder von Moslems gegen Christen, die Torpedierung des dringend nötigen Zusammenwachsens Europas, all das sind gute Gründe, die eine Koalition mit der FPÖ verunmöglichen würden – wäre die SPÖ tatsächlich die Partei der internationalen Solidarität, Demokratisierung, Toleranz, Transparenz und Menschenrechte und würde sie konsequent an einer offenen, solidarischen und ökonomisch gerechten Gesellschaft arbeiten.

Man kann aber von der FPÖ auch lernen: Ein großer Teil ihres Erfolgs besteht meiner Ansicht nach darin, dass sie ihren Wählerinnen und Wählern nie ein schlechtes Gewissen macht:

Die Konservativen sagen den Leuten, sie müssen fleißig sein und Leistung bringen.
Die Grünen sagen den Leuten, sie müssen die Umwelt schützen und Fahrrad fahren.
Die Sozialdemokraten sagen den Leuten, sie müssen sozial und solidarisch sein.
Die Freiheitlichen sagen ihnen aber: „Du bist gut, so wie Du bist, Du musst gar nichts!“

Will man also wieder dauerhaft Mehrheiten jenseits der FPÖ in der Bevölkerung finden, dann sind alle Parteien (nicht nur die SPÖ) gut beraten damit aufzuhören, die Menschen ständig bevormunden und bemuttern zu wollen. Denn wer wählt schon jemanden, der ihm oder ihr ständig sagt, was man tun soll?

Natürlich sind die einfachen Wahrheiten, die die FPÖ verkündet, für viele Leute verlockend und manche dieser Wahrheiten auch nicht ganz falsch. Aber das Ziel sollte wohl sein, dass die Menschen erkennen, dass ihr individuelles Wohlergehen ganz eng mit dem aller anderen Menschen verknüpft ist. Solidarität und Empathie sind keine Meinungen, für die man werben kann, vielmehr sind sie das Ergebnis von individuellen und gesellschaftlichen Lernprozessen. Womit wir bei der Bildungsmisere wären, aber das ist wieder eine andere Geschichte.

Michael Eisenriegler
Genealogie, (Online-)Medien, Journalismus, (Netz-)Politik, Mongolei, Buddhismus, Single Malts, Analogue Audio.

2 Kommentare

  1. Ich bin mit dem Blogger ja nicht ganz einer Meinung. In einer Frage (EU-Frage) würde ich sogar eine konträre Position vertreten. Aber der Kern der Analyse des FPÖ-Erfolgs ist sehr treffend und hellsichtig. Das stimmt einfach.
    Politik ist aber nicht zu verstehen, wenn man die Machtfrage ausblendet. Und da die Sozialdemokratie auf absehbare Zeit bestenfalls auf ein Drittel der Wähler/innen/stimmen kommen wird, muss sie eine strategische Alternative schaffen, wenn sie nicht mit einem eher nutzlosen Einser im Wahlfach „Moral & Ethik“ auf lange Zeit am Katzentisch der Opposition Platz nehmen möchte (auf ein zweites „Knittelfeld“ würde ich eher nicht bauen!). Und die politische Schnittmenge zwischen Effen und Sozis ist jetzt schon gut doppelt so groß wie zwischen SPÖ und ÖVP. Also wird Vranitzkys Bann über die FPÖ, so meine Prognose, wohl demnächst offiziell gebrochen werden.

  2. das mit dem gewissen ist spannend ein spannender gedanke, aber diese technik funktioniert halt nur, weil alles negative reduziert und einer wehrlosen gruppe umgehängt wird.

    sobald man verantwortung hat sind handlungsanleitungen in form von gesetzen wohl unumgänglich.

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